VideosFasten zu Corona-Zeiten: «Viele reduzieren den Ramadan nur aufs Essen»

© Pilatus Today

Fasten zu Corona-Zeiten: «Viele reduzieren den Ramadan nur aufs Essen»

Besuch in Luzerner Moschee
Der Fastenmonat Ramadan ist für Muslime begleitet von Festen und Gemeinschaftlichkeit. Wie spielt sich das Leben der Schweizer Muslime während der Pandemie ab? Ein Besuch in einem Gotteshaus, hinter dessen Türen man selten einen Einblick bekommt.
Publiziert am Do 6. Mai 2021 11:39 Uhr

Im Industriegebiet in der Nähe des Swiss Steel Areals in Emmenbrücke vermutet niemand, dass sich hier eine Moschee befinden könnte. Zwischen Wohnblocks und Autogaragen entdecken wir das goldfarbene Schild. «Dzemat der islamischen Gemeinschaft Luzern» steht darauf geschrieben zwischen Halbmond und Luzerner Kantonswappen. Das bosnische Wort Dzemat (ausg. «Dschemat») hat mehrere Bedeutungen und steht unter anderem für die Glaubensgemeinschaft.

Beim Betreten der Moschee ist von Industriegebiet dann nichts mehr zu spüren. Neben dem aufwendig dekorierten Gebetsraum verfügt das Gebäude an der Emmenweidstrasse über eine umfangreiche Bibliothek sowie ein öffentlich zugängliches Restaurant mit Spezialitäten der Balkanküche.

Viele Asylsuchende essen umsonst

Izeta Saric, Sprecherin der islamischen Gemeinde und muslimische Religionslehrerin, führt uns zuerst in die Bibliothek. Steht die Welt gerade einmal nicht wegen eines Virus still, würden wir hier einen Haufen Leute vorfinden, sagt sie. «Seit Jahren brechen wir gemeinsam das Fasten», so Saric. Wer sich finanziell am Essen beteiligen kann, bezahlt. Wer nicht, für den werde mit Spenden gesorgt. Hungrig bleibt nach Sonnenuntergang niemand, davon würden vor allem Asylsuchende profitieren. Auch wenn es sich offiziell um eine bosnische Moschee handelt, zum Gebet treffen sich hier Menschen aus allen Ländern.

Beim Nachtgebet gilt auch an diesem Abend eine Personenbegrenzung von 50 Menschen. Wegen der Pandemie dauere das Gebet nur rund 20 Minuten und nicht eine Stunde wie üblich, erklärt Izeta Saric. Der traditionelle Kaffee und Kuchen danach fallen aus. «Wir müssen die Leute nach dem Gebet quasi verjagen», sagt Saric und lächelt.

Izeta Saric ist in einer sehr gläubigen Familie in Bosnien aufgewachsen und fastet, seit sie sieben Jahre alt ist. «Ich verbinde sehr viele schöne Erinnerungen mit dem Ramadan. Für mich ist es jedes Jahr ein schönes seelisches Erlebnis.»

Die Zeit nach dem Ramadan ist für Saric eine Zeit der Belohnung. Wenn man wieder wie gewohnt Frühstücken und Kaffeetrinken kann, blicke man zutiefst dankbar auf den letzten Monat zurück. «Man sagt sich: ‹Du hast es wieder geschafft›. Ein unbeschreibliches Gefühl.»

Fünf Säulen des Islam

Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, geht es in den Gebetsraum. Damit die Betenden ihre Gebetsteppiche coronakonform ausbreiten, liegen überall Matten verteilt. «Entschuldigt die Unordnung», sagt Harun, der uns in der blitzblanken Gebetshalle begrüsst.

Der junge Betriebswirtschafter ist Aktivmitglied in der Moschee. Neben seinem Job nimmt er sich regelmässig Zeit für einen Besuch im Dzemat. Hier findet er einen Ausgleich, betet und tauscht sich mit anderen aus. «Während der Coronakrise ist alles etwas anders. Die Leute gehen nach dem Beten schnell wieder nach Hause, die Zahl der Betenden ist beschränkt. Das Zusammenkommen fehlt», sagt er.

«Ramadan ist keine Diät»

Harun empfindet das Fasten nicht als Last, für ihn gehört es fest zum Glauben dazu. Zwar mache er in dieser Zeit fast keinen Sport, dafür konzentriert er sich auf die Arbeit und auf den Glauben. Er erklärt uns die fünf Säulen des Islam: «Glaubensbekenntnis, Beten, Almosen, Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka.»

Während wir mit Harun über die Fastenzeit sprechen, verliert er nur wenig Worte über das Essen und Trinken. «Es ist eine Zeit der Besinnlichkeit, bei der man sich intensiver mit der Religion auseinandersetzt.» Viele würden die Fastenzeit nur auf die Ernährung und gesundheitliche Aspekte reduzieren, so Harun. «Der Ramadan ist keine Diät. Es geht um den seelischen Aspekt und die Verbundenheit zu Gott und nicht darum, Kilos zu verlieren.»

    #Religion#Ramadan#Nahrungsmittel
© PilatusToday