ZentralschweizLuzernNach Badeunfall gelähmt – war der Sohn mitschuldig?

Nach Badeunfall gelähmt – war der Sohn mitschuldig?

Lido-Prozess
Am Dienstag fand der Berufungsprozess gegen zwei Lido-Mitarbeiter statt. 2014 verunfallte ein Familienvater und ist seither gelähmt. Die Verteidiger werfen dem älteren Sohn des Opfers vor, mitschuldig am tragischen Unfall zu sein.
Publiziert am Di 23. Juni 2020 19:43 Uhr
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- Das Luzerner Strandbad Lido aus der Vogelperspektive: Der Unfall ereignete sich beim ersten Steg auf der linken Seite vom Ufer her gesehen.

Vor sechs Jahren verunfallte ein Familienvater wegen eines Kopfsprungs im Luzerner Strandbad Lido und leidet seither an einer kompletten Tetraplegie. Das Bezirksgericht hat letztes Jahr den Bademeister und den Lido-Geschäftsführer vom Vorwurf der fahrlässigen, schweren Körperverletzung durch Unterlassung freigesprochen. Gegen den Freispruch hat der Verunglückte Berufung eingelegt.

Schutzpflichten nicht eingehalten

Auf der Anklagebank sassen die beiden beschuldigten Lido-Mitarbeiter: der 48-jährige Bademeister und der 56-jährige Lido-Chef. Die beiden Männer hätten laut der Staatsanwaltschaft verhindern müssen, dass der Familienvater Kopf voran ins Wasser springt und sich zwei Halswirbel bricht. Deshalb seien beide klar schuldig.

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Den Beschuldigten sei die Gefahr bekannt gewesen, dass Kopfsprünge vom Steg aus schlimm enden können. Trotz den Vorgaben der Beratungsstelle für Unfallverhütung habe man mit Verbotsschildern oder Piktogrammen nicht die Badegäste gewarnt.

Als Beweisgrund hat die Staatsanwaltschaft die Aussagen der Ehefrau herangezogen. Als Zeugin habe sie als einzige Person den Köpfler gesehen und die Tiefe des Wassers nicht einschätzen können. Der Bademeister sei zudem unaufmerksam gewesen und habe nicht rechtzeitig reagieren können.

Frage nach Mitschuld aufgeworfen

Die Verteidiger zweifeln daran, dass sich der Vater tatsächlich wegen eines Köpflers verletzt hat. Der Bademeister habe gesehen, wie der Vater mit seinen Söhnen gespielt habe. So habe der Vater die Kinder immer wieder Fuss voran ins Wasser geworfen. Das sei aber friedlich abgelaufen, deshalb habe er nicht intervenieren müssen.

Der Verteidiger des Lido-Chefs ging davon aus, der Vater könne sich die Tetraplegie zugezogen haben, als der ältere Sohn ihn retten wollte. Auch nicht sicher sei es, ob der Vater überhaupt einen Köpfler gemacht habe, oder ob er durch einen Schubser ins Wasser gefallen war.

Köpfler oder Schubser?

Die Aussagen der Familie widersprechen denen des Bademeisters. So habe der Vater mit dem jüngeren Sohn erst von der rechten Seite des Stegs zwei Köpfler vorgemacht, bis sie auf die linke Seite wechselten. Der kleine Sohn habe Angst gehabt, deshalb sei der Vater vorgesprungen und nicht mehr aufgetaucht. Darauf habe der ältere, heute 19-jährige, Sohn nach ihm geschaut. «Mit letztem Atem sagte er, ‹hilf mir›.» Mit zwei weiteren Personen hätten sie den Vater auf den Steg getragen. Von einem Schubser wollten Söhne und Mutter nichts wissen.

Der Lido-Chef sei überzeugt, dass der Privatkläger von dieser Position nicht absichtlich einen Kopfsprung ausgeführt haben könne. Man sehe, dass das dort viel zu gefährlich sei. Das Wasser sei am fraglichen Tag klar gewesen. Ausserdem beschuldigte er die Familie, dass sie sich abgesprochen hätten und vom eigentlichen Thema ablenken würden. «Wir können in Gottes Namen nicht jeden Einzelnen überwachen. Wir sind auf Eigenverantwortung angewiesen, sonst könnten wir eine solche Badi gar nicht betreiben.»

Auch der Bademeister sagte, bei der beschriebenen Stelle am Steg sei das Wasser zu seicht. «In meinen acht Jahren habe ich noch nie einen Kopfsprung von diesem Bereich gesehen.»

Die Staatsanwaltschaft beantragt für ihn eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 190 Franken und für den Bademeister eine von 90 Tagessätzen à 80 Franken. Das Urteil steht noch aus und wird etwa in einem Monat verkündet. (kmu)

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