ZentralschweizLuzern«Wenn man mehr über seine eigene Sexualität erfahren möchte, kommt man zu mir»

«Wenn man mehr über seine eigene Sexualität erfahren möchte, kommt man zu mir»

Sexologische Praxis in Luzern
Was tun, wenns im Bett nicht mehr läuft? Was ist, wenn ich dem Männerbild nicht gerecht werde? Mit diesen Fragen und noch vielen mehr wird Martin Bachmann in seiner Praxis konfrontiert. Der Sexologe berät seit Juni sowohl Männer, als auch Frauen und Pärchen.
Publiziert am Sa 18. Juli 2020 20:02 Uhr
© Nadia Schärli / Luzernerzeitung
- Martin Bachmann

Martin Bachmann ist seit über 19 Jahren beim «Mannebüro» in Zürich tätig, um gewalttätig gewordenen Männern zu helfen. Zunehmend wurde er von Männern mit Fragen zu sexuellen Problemen konfrontiert. Nun will er sein Fachwissen allen Menschen zur Verfügung stellen. Seit Juni führt Bachmann deswegen eine eigene Praxis in Luzern unter dem Namen «Sexologik». Bachmann ist zudem weiterhin bei der Männerberatung in Zürich tätig.

Martin Bachmann, wie kommt man darauf, Sexologe zu werden?

Da bin ich hineingewachsen. Einerseits interessiert mich persönlich das Thema Sex. Ich bin gerne ein Mann, der sich für Frauen interessiert. Zudem habe ich im «Mannebüro» in Zürich professionell mit diesem Thema zu tun gehabt. Männer kamen meist wegen anderen Problemen zu uns und dann kamen sie nach dem Gespräch mit «Sie, ich habe da noch ein anderes Problem...». So bin ich dann in dieses Thema reingerutscht.

Was für Klienten kommen zu Ihnen?

In meine Praxis kann grundsätzlich jede und jeder kommen: Männer, Frauen, als Paar, allein, egal ob Hetero oder Homo – jeder ist bei mir willkommen. Alle, die etwas über die Sexualität wissen wollen und die Logik der eigenen sexuellen Realität ergründen und dahinter schauen wollen. Selbstverständlich ist die Sexualität etwas Natürliches, etwas Emotionales und Intuitives. Gleichzeitig ist die Sexualität aber auch etwas Erlerntes und Erworbenes. Schliesslich ist sie nicht bei jedem identisch. Zudem ist die Sexualität nicht etwas Statisches, was man macht und dann hat man es. Sondern man verändert sich selbst fortlaufend, die Paarbeziehung verändert sich, die eigene Sexualität entwickelt sich also auch. Und wenn man dabei mehr darüber erfahren und herausfinden will, dann kommt man zu mir.

Mit welchen Problemen kommen die Menschen zu Ihnen?

So vielfältig die Menschen sind, so vielfältig sind auch die Fragen. Aber ein oft angesprochenes Thema ist die Lust und die Unlust. Jemand will mehr als der andere – wie kann man damit umgehen? Oder auch die Treue, die Untreue und das Fremdgehen ist bei Pärchen ein oft angesprochenes Thema. Ein zunehmendes Thema gerade bei jungen Männern ist die Selbstbefriedigung. Bei der die Art wie sie Selbstbefriedigung ausleben, kann es dann zu Schwierigkeiten in der Paarsexualität kommen. Generell bei Männer, die ein Problem mit dem Konsum von Pornos haben, sprich zu viel Pornos schauen, es nicht mehr im Griff haben und ein Suchtverhalten entwickeln.

Es kommen auch Frauen, die von sich selbst sagen, dass sie derart romantische Vorstellungen haben und denken, dass dies nicht normal sei. Auch weil Beziehungen daran immer wieder scheitern und sie von diesen Vorstellungen wegkommen wollen.

Wer kommt öfters mit welchen Problemen zu Ihnen?

Ich bin noch ziemlich am Anfang meiner Karriere als selbständiger Sexologe. Aber zu Beziehungsthemen und Paarfragen melden sich öfters Frauen an. Männer kommen eher zu mir, wenn sie eine Dysfunktion haben, also „etwas“ nicht mehr funktioniert. Dysfunktionen sind bei Männern halt oft gut sichtbar, wenn sie zu früh kommen. Oder gar nicht. Oder wenn sie sonst wie Erektionsstörungen haben.

Wie schwierig ist es am Anfang, dass der Mann sich Ihnen gegenüber öffnet?

Es ist immer eine Hürde, sich überhaupt zu melden. Aber wenn sich jemand meldet, dann ist der wichtigste Schritt bereits vollbracht. Also wenn man merkt, jetzt muss etwas passieren. Wenn dann die Person in der Praxis sitzt, gibt es in der Regel schnell eine Stimmung, dass man über seine Angelegenheit sprechen kann, auch wenn man sich dies nicht gewohnt ist. Die Leute können schnell Vertrauen fassen.

Steigert sich die Gewaltbereitschaft beim Mann, wenn es bei ihm im Bett nicht mehr läuft?

(Überlegt) Dass sich diese Bereitschaft steigert, glaube ich nicht. Männer haben ein höheres Gewaltrisiko, denn es ist leider eine Variante wie wir Männer den Stress, eine Angst oder eine Überforderung zu regulieren versuchen. Was ich aber oft in den Beratungen feststellte, dass für den Mann eine Dysfunktion in der Sexualität noch bedrohlicher ist. Ein Mann, der seine Partnerin in der Überforderung eine klatscht, was ich überhaupt nicht gutheisse und ganz klar verurteile, passt leider zum Teil in das Stereotypenbild des Mannes hinein. Aber wenn der Mann es nicht mehr im Bett bringt, ist es für ihn noch identitätsbedrohender und er zweifelt dann noch mehr an seiner Männlichkeit, als wenn er eine Frau schlagen würde.

Was macht Mann, wenn seine Partnerin nicht den eigenen sexuellen Vorstellungen entspricht, weil man lieber Sex mit einer jungen Frau will?

Es gibt eine grosse Anzahl von möglichen Erregungsquellen. Auch ist die Lust von Mensch zu Mensch unterschiedlich. In der Sexualität gibt es ja keine fixe Norm, die für alle gilt. Quasi natürlich ist, dass wir uns für Sex interessieren, auf Erregungsquellen reagieren und eine orgastische Entladung machen können. Aber was uns gefällt und was uns anmacht, ist weitgehend erworben. Wenn also Männer 15 Jahre lang sich selber befriedigen zu Bilder von immer jungen Frauen und diese fast im Minutentakt wechseln, dann hat man auch dementsprechend eine solche Erregungslandschaft. Das kann dann eben Konsequenzen für reale Begegnungen haben.

Also wenn meine Lust an ein wahnsinniges Bilder-Feuerwerk geknüpft ist, an schnell wechselnde Szenen, Stellungen, Situationen, meine Erregungen also vor allem visuell gestützt ist, dann kann ich ein Problem bekommen. Vor allem mit meiner Partnerin, weil sie einfach «normal» ist und nach einer halben Stunde immer noch gleich ausschaut.

Ich rate meinen Klienten, dass sie die Erektionen weniger visuell nähren, dafür umso mehr ihren eigenen Körper spüren. So kann man auch die Wahrnehmung verschieben, damit das Schauen weniger wichtig wird, dafür das Erleben wieder körperlicher.

Inwiefern haben wir Probleme mit Stereotypen?

Mit solchen Bildern, wie ein Mann oder eine Frau sein müsste, wachsen wir schon sehr früh auf. Jeder Mann und auch jede Frau kommt über kurz oder lang in einen Konflikt mit diesen Bildern, wie ein richtiger Mann / Frau eben zu sein hätte. Die Eigenart an diesen Stereotypenbildern ist ja, dass es so real gar nicht gelebt werden kann. Diese Klischees mögen einen Beitrag zu unserer Entwicklung beisteuern. Gleichzeitig scheitern wir aber alle an diesen Vorstellungen. Zum Beispiel, dass der Mann immer alles im Griff und immer eine Lösung bereit hat – doch das trifft bei keinem Mann zu. Deswegen leidet auch jeder Mensch über eine kurze oder lange Zeit aufgrund dieser Klischees. Trotzdem orientieren wir uns immer wieder an diesen Bildern. Die Kunst ist, dass wir uns von diesen auch wieder lösen. Im Vergleich zu früher, wo die Erwartungen und Stereotypen dominanter waren, haben wir heute zum Glück viel mehr die Möglichkeit, uns zu überlegen, wie wir unser Leben genussvoll leben wollen.

Wann stossen Sie an Ihre Grenzen bei der Beratung?

(Überlegt) Wenn die Klienten sich weigern, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ich bin kein Zauberer und ich kann die Probleme der Leute nicht geradebiegen und das Problem lösen. Wenn sie das Problem gelöst haben wollen, aber nichts dafür machen, sondern nur die Hilfe von aussen wollen. Als Sexologe kann ich lediglich Angebote machen und die Leute auf ihrem Entwicklungsweg begleiten. Wenn ich eine thematische Grenze mit Klienten oder Klientinnen erreichen sollte, wenn es mir mal persönlich zu viel wird, dann verweise ich an andere Berufskolleginnen und -kollegen, die genauso kompetent sind wie ich.

    #Sex#Beratung#Gesundheit#Luzern
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