ZentralschweizLuzernKunstprojekt über Grenzen hinweg: «Unser Leben ist genug dramatisch»

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Kunstprojekt über Grenzen hinweg: «Unser Leben ist genug dramatisch»

Luzern und Argentinien
Diese besondere Geschichte handelt von Freundschaft, Distanz und Depressionen. Zwei Künstler nähern sich in ihrem Projekt diesen Themen über den Ozean hinweg. Einer in Luzern, einer in Argentinien.
Publiziert am So 29. Aug. 2021 13:10 Uhr

Kennengelernt haben sich Savino und Elvio über eine Freundin. Der Luzerner Savino sollte Elvio helfen, eine Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Erfolglos. Nach zehn Jahren in der Schweiz sollte der gebürtige Argentinier die Schweiz verlassen. Nach zehn Jahren, in denen Elvio seine Ausbildung in Expanded Theater an der Hochschule der Künste Bern abgeschlossen hatte und sein zukünftiges Leben bereits in der Schweiz geplant hatte. Nun lebt Elvio im kleinen Dorf San Rafael in Mendoza Argentinien und Savino ist weiterhin in Luzern. Dies hat ihrer Freundschaft jedoch keinen Abbruch getan – sie pflegen weiterhin Kontakt.

Am Anfang ihrer örtlichen Trennung stand die Frage, wie ihre gemeinsame Geschichte weitererzählt werden konnte. So haben sie sich entschieden, daraus ein Kunstprojekt – «mi vida en transito» – zu starten. Das Projekt dokumentiert die unfreiwillige Rückreise von Elvio nach Argentinien, die Verzweiflung und Zukunftsängste, die folgten und erzählt gleichzeitig von der tiefen Freundschaft der beiden Künstler über die Distanz hinweg. «Wir hatten keine Energie, um etwas Neues zu schaffen, also haben wir beschlossen – Wir erzählen, was wir haben,» sagt Elvio im Gespräch über Zoom. Denn: «Wir sprechen über unser Leben, das ist genug dramatisch», so der ausgebildete Tänzer weiter.

Nähe erleben über Distanz

Elvio litt zu Beginn der Corona-Pandemie an einer Depression. Während dieser Zeit hat ihn Savino unterstützt und begleitet: «Wir haben viel darüber gesprochen und viel zusammen geweint,» erzählt der Argentinier. Dabei merkten sie, wie die Vorstellung des starken Mannes nicht einhergehen kann mit einem Mann, der an Depressionen leidet. Elvio: «Es ist wichtig, darüber zu sprechen, weil es ein Tabu ist.» Durch die Kunst hätten sie einen Weg gefunden, das zu tun. Für Elvio sind die Gespräche und das Kunstprojekt deshalb auch eine Art Therapie: «Es ist mehr als ein Thema, es ist etwas Echtes, etwas Ehrliches, das in unseren Gesprächen einfach passiert.»

Neben dem schweren Thema der Suizidalität steht aber auch noch etwas Freudiges im Fokus: Ihre Freundschaft. Für Savino ist das Kunstprojekt eine Möglichkeit, gemeinsam über 11'000 Kilometer zu improvisieren und Sachen zu machen: «Dass trotz erzwungener Distanz auch eine Nähe möglich ist – die auch auf der Bühne sichtbar werden kann und auch im echten Leben spürbar ist,» so der Luzerner. Deshalb sei es auch oft unklar, ob sie jetzt proben oder über persönliche Sachen reden – die Grenzen würden verschwimmen.

Im Mai 2021 haben sie den Nachwuchspreis Premio Schweiz gewonnen und damit finanzielle Unterstützung in der Höhe von 25'000 Franken erhalten. Somit können sie ihr Kunstprojekt «mi vida en transito» weiterverfolgen. «Einerseits ist der Preis für das Bühnenstück und gleichzeitig erhält auch der politische Aktivismus dadurch Anerkennung,» sagt Savino. Nun wollen sie ihr Projekt vorantreiben und dann auf Tour gehen.

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