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Pilatus PC-24: Fragwürdiger Kauf von Bundesratsjet

© Tele 1 / Mateo Landolt

Eine Beschaffung zwischen Handschlag und Klapp-WC

Vor zehn Jahren wurde der Privatjet PC-24 der Pilatus Flugzeugwerke vorgestellt. Begeistert war nicht nur die Flugszene, sondern auch die Landesregierung. Der Bundesrat bestellte umgehend selber einen Flieger, verkaufte diesen aber nach kurzer Zeit wieder. Recherchen zeigen: Vor der Beschaffung gab es keinerlei dokumentierte Abklärungen.
Publiziert am Mo 11. Nov. 2024 08:30 Uhr

1. August 2014: Die Schweiz feiert Geburtstag. In Buochs steht an diesem Tag aber nicht der Nationalfeiertag im Zentrum, sondern das Flugzeug Pilatus PC-24. Ein Produkt beworben als innovativ und aus dem Herzen der Schweiz. Es ist laut Hersteller ein Allerweltsflieger: Vielseitig einsetzbar und fähig auf anspruchsvolleren Pisten zu landen.

Die Aviatikfans jubeln – und auch der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer. Der Bundesrat verkündet: Der PC-24 wird der neue Jet der Landesregierung. Knapp neun Millionen Franken kostet das Transportmittel. Es soll 2019 geliefert werden und die alte Cessna Citation ersetzen.

- Rollout Bundesratsjet

PC-24 wurde deutlich weniger nachgefragt

Doch knapp vier Jahre nach der Auslieferung verkauft der Bundesrat den Pilatus PC-24 wieder. In der damaligen Medienmitteilung ist in PR-Sprache von einer geringen Nachfrage die Rede. Tatsächlich aber schliessen die Departemente «bei Reiseanfragen einen Transport mit der Pilatus PC-24 oftmals explizit aus». Das geht aus einem Dokument aus dem Jahr 2022 hervor, welches PilatusToday und Tele 1 vorliegt.

© Zahlen: LTDB / Grafik: PilatusToday
- Grafik Nutzung Bundesratsjets

Das widerspiegelt sich in den Flugstunden der drei Bundesratsjets. Der PC-24 wurde knapp drei Mal weniger benutzt als die 22-jährige Cessna Citation. Eigentlich hätte der PC-24 die alte Cessna ersetzen sollen. Noch deutlich mehr kam die Dassault Falcon zum Einsatz. Letztere ist als Langstreckenflugzeug allerdings nicht direkt mit den anderen Flugzeugen vergleichbar.

Klapp-WC und Platzverhältnisse als Kritikpunkte?

Zwar werden Bundesratsjets nicht nur vom Bundesrat genutzt (siehe Box). Allerdings haben Gespräche mit mehreren Bundesbehörden ergeben, dass es Bundesratsmitglieder waren, die das Flugzeug nicht mehr benutzen wollten. Weshalb, das lässt sich abschliessend nicht gänzlich beantworten. Mehrere Interviewanfragen wurden von Ueli Maurer und den Kommunikationsstellen von Guy Parmelin und Viola Amherd abgelehnt.

Aber es gibt gewisse Anhaltspunkte für die fehlende Nachfrage. Diese liefert unter anderem Bernhard Lehmann. Der erfahrene Militärpilot fliegt die Bundesratsjets regelmässig. Vergleicht er die alte Cessna Citation mit dem Pilatus PC-24, so kommen ihm zwei Dinge in den Sinn. Während die Toilette in der Cessna fix verbaut ist, muss sie beim Pilatus PC-24 aus einer Art Schrank gezogen werden. Wie das aussieht, zeigen diese Aufnahmen auf youtube.

Im Weiteren hätten die engen Platzverhältnisse im Pilatus PC-24 einen Service durch die Flight Attendant stark erschwert.

9-Millionen-Kauf ohne Abklärungen

PilatusToday und Tele 1 wollten basierend auf dem Öffentlichkeitsgesetz sämtliche Dokumente zur Flugzeug-Beschaffung einsehen. Der Bund ist verpflichtet, diese Dokumente offenzulegen, wenn keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen. Das einzige Dokument, welches die Redaktion erhält, stammt allerdings aus dem Jahr 2015. Sprich: Vor dem Kauf 2014 gab es keinerlei dokumentierten Abklärungen von Bedarf, Wirtschaftlichkeit oder anderen Flugzeuganbietern. Das Geschäft war gemäss zweier unabhängiger Quellen quasi ein Handschlag zwischen Ueli Maurer und dem damaligen Pilatus-Chef Oscar Schwenk.

Rechtlich dürfte der Bund dabei nichts falsch gemacht haben. Denn während für normale Beschaffungen strenge Regeln gelten, hat die Regierung im Sicherheitsbereich leichtes Spiel. Hier kann sie im Prinzip freihändig, also ohne Berücksichtigung anderer Anbieter, einen Auftrag vergeben. Das weiss Beschaffungsrechtsexpertin Rika Koch nur zu gut. Dennoch würde sie sich ein Umdenken wünschen. Wissenschaftliche Studien würden zeigen, dass mehr Wettbewerb und Preistransparenz zu besserer Qualität führten.

Politik ist sich uneins, Bund hat Lehren gezogen

Was sagt die Politik zu diesem Vorgehen. SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf findet es fragwürdig. «Vermutlich wäre es besser gewesen, wenn man die Regeln des Öffentlichen Beschaffungswesens angewendet hätte», so die Zürcherin. Für den Nidwaldner Ständerat Hans Wicki ist derweil klar, dass das Preis-Leistungsverhältnis beim PC-24 schlichtweg überzeugt habe. Und: «Ich bin dezidiert der Meinung, dass der Staat Schweiz einen einheimischen Hersteller bevorzugt behandeln darf.»

Abseits der TV-Kamera sagen Vertreter von mehreren Bundesbehörden: Mit dem heutigen Wissen hätte man 2014 anders beschafft. Das wird auch bei der jüngsten Beschaffung einer Bombardier Global ersichtlich. «Bei der Beschaffung wurde erstmals eine solch umfassende Analyse (Anforderungen, Marktanalyse, Wirtschaftlichkeit) durchgeführt», schreibt das Bundesamt für Rüstung auf Anfrage. Dieses Flugzeug soll Ende 2024 beim Bund eintreffen.

Der ausführliche Bericht zum Thema:

    #Bundesrat#Schweiz
© PilatusToday